Foto: Tobias Koch
Berlin/Brüssel. Die Europäische Union verhandelt derzeit über die Novellierung der Industrieemissionsrichtlinie (IED). Die EU-Kommission schlägt in ihrem Entwurf dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat vor, die IED-Bestimmungen für Industrie und Landwirtschaft drastisch zu verschärfen. Aktuell fallen rund 9.000 Industrieanlagen in Deutschland (52.000 Anlagen in Europa) unter die Bestimmungen der Richtlinie. Zukünftig werden deutlich mehr Unternehmen eine Genehmigung nach IED benötigen. Insgesamt werden nach dem Vorschlag der Kommission 185.000 Betriebe in Europa künftig zusätzlich in den Anwendungsbereich der IED-Richtlinie fallen. Viele Betriebe würden keine Genehmigung für den Weiterbetrieb oder diese nur mit erheblichen finanziellen und bürokratischem Aufwand erhalten.
„Mit den geplanten Verschärfungen durch die Richtlinie wird eine schleichende Deindustrialisierung in Deutschland massiv befördert. Das müssen wir verhindern“, erklärte der Eifeler Bundestagsabgeordnete Patrick Schnieder. „Wir als Union haben schon im Bundestagswahl-kampf auf allen Ebenen betont, ein klimaneutrales Industrieland werden zu wollen. Dazu stehen wir. Aber die Transformation geht nur mit einer leistungsfähigen Industrie und Landwirtschaft. Gemeinsam mit der Wirtschaft wollen wir weiterhin an Verbesserungen bei den Industrieemissionen arbeiten – nicht gegen die Wirtschaft und unsere heimischen Landwirte. Die Richtlinie hat enorme Auswirkungen auf erforderliche Investitionen zur Nachrüstung der Betriebe. Sie bindet damit Finanzmittel, die für andere Maßnahmen, wie wirtschaftliche Transformation oder die Verbesserung des Tierwohls in der Landwirtschaft dringend erforderlich wären.“
In Berlin fand Ende April auf Einladung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion eine Expertenanhörung zu der geplanten Verschärfung der IED statt. Dabei betonten alle Redner vom Verband der Chemischen Industrie, dem Deutschen Bauernverband, dem Bund der Deutschen Industrie und der Gewerkschaft IGBCE, dass eine Verschärfung der Genehmigungsverfahren massive Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Landwirtschaft habe.
So soll im Agrarbereich der in Großvieheinheiten (GVE) gemessene IED-Schwellenwert von 600 auf 150 reduziert werden. „Dieser Wert ist fachlich und politisch nicht zu rechtfertigen. Mit einem Schlag wären über 22.000 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland plötzlich von der IED betroffen. Das entspricht einer Verachtfachung der bisher betroffenen Betriebe.“ Auch der im Rahmen der Diskussion von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir vorgeschlagene Schwellenwert von 300 GVE ist nicht zu rechtfertigen. „Denn auch dieser Vorschlag geht an der landwirtschaftlichen Praxis und Wirklichkeit vorbei. Der Minister gefährdet damit kleinere und mittlere Betriebe, die sich die neuen Auflagen und Nachrüstpflichten, die mit hohen Kosten einhergehen, nicht leisten können“, erklärt Schnieder. Die Novellierung steht in der Landwirtschaft den Bestrebungen der Bundesregierung nach mehr Tierschutz durch die Notwendigkeit einer Abluftanlage, die nur in geschlossenen Ställen erfolgreich funktionieren kann, entgegen. Für die Tierhaltungsstufen 3 und 4 werden hingegen offene Ställe benötigt.
Die vorgeschlagenen Änderungen der Industrieemissionsrichtlinie führen ebenfalls dazu, dass aufgrund der Festsetzung der zulässigen Emissionswerte am unteren Rand der jeweils besten verfügbaren Technik (BVT-Bandbreite) keine einzige Anlage in Deutschland eine reguläre Genehmigung erhalten würde. „Für den Erhalt der dann für den Weiterbetrieb notwendigen Sondergenehmigungen müssen die Betreiber jeden einzelnen abweichenden Wert gegenüber der zuständigen Genehmigungsbehörde begründen. Die Genehmigungsverfahren werden sich dadurch stark verlängern“, so Schnieder.
Auch durch die Ausweitung um umfangreiche Umweltmanagementsysteme und Chemikalienmanagementsysteme werden weitere Verlängerungen der Genehmigungsverfahren ausgelöst. „Ohne eine klare Positionierung Deutschlands gegen diese drastischen Verschärfungen wird diese Novellierung in Brüssel voraussichtlich beschlossen werden.“
Im Europäischen Parlament sind bereits mehr als 1.700 Änderungsanträge eingegangen, die aktuell in den Ausschüssen für Umwelt und Landwirtschaft verhandelt werden.
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